UMWELT(EN) WEITER. Umwelt und Klimaschutz
Einfamilienhaussiedlung

Einfamilienhäuser – die neue Umweltsünde?

Schon vor einiger Zeit haben Abgeordnete der Grünen und der SPD im Bezirk Hamburg-Nord eine Entscheidung getroffen, die inzwischen bundesweit heiß diskutiert wird. Sie wollen dafür sorgen, dass neue Bebauungspläne künftig keinen Platz mehr für Einfamilien- und Reihenhäuser ausweisen. Bei Anton Hofreiter, Faktionsvorsitzender der Grünen im Deutschen Bundestag, stieß dieser Vorstoß auf positive Resonanz. Einzelhäuser würden viel Fläche, viele Baustoffe und viel Energie verbrauchen, sie würden für mehr Zersiedelung und mehr Verkehr sorgen, erklärte er in einem Spiegel-Interview. Der Flächenfraß, vor allem durch Neubaugebiete, müsse gestoppt werden und die Kommunen mehr Rechte bekommen, fordert er.

Was ein heißer Themenkandidat für das Superwahljahr 2021 sein dürfte, ist in Wahrheit wenig neu. Denn das tatsächliche Problem der Zersiedelung ist seit Jahren bekannt. Wohl alle Landesentwicklungspläne enthalten daher verbindliche Vorgaben für die kommunale Baulandentwicklung und greifen steuernd in die Ausweisung neuer Wohngebiete ein, indem sie jeder Kommune nur ein begrenztes Eigenentwicklungspotential gewähren und den Schwerpunkt der Siedlungsentwicklung auf die zentralen Orte einer Region legen. Im Ergebnis entscheiden ohnehin die Gemeinden, ob sie neue Bauflächen ausweisen. Aus diesem Grund wird nicht ganz klar, was gemeint ist, wenn in der Debatte davon die Rede ist, dass die Rechte der Kommunen gestärkt werden sollen.

Zwar ist die Handhabe der Gemeinde gegen Einfamilienhäuser juristisch dann begrenzt, wenn sich die Zulässigkeit der Wohnbauten in Gebieten ohne Bebauungsplan nach § 34 BauGB bemisst. Wenn rundherum nur Einfamilienhäuser stehen, wird auch ein weiteres neues zulässig sein. Denn in dem Fall ist einzige Voraussetzung für die Erteilung einer Baugenehmigung, dass sich das neue Bauvorhaben in die nähere Umgebung einfügt. Geht es aber um die Ausweisung neuer Baugebiete, obliegt es den Gemeinden zu entscheiden, wie sie die städtebauliche Entwicklung gestalten wollen. Es steht ihnen frei, im Zuge der Bauleitplanung schlicht keine Einfamilienhäuser mehr in neuen Plangebieten vorzusehen. Zwar sind nach § 1 Abs. 7 BauGB „die öffentlichen und privaten Belange gegeneinander und untereinander gerecht abzuwägen“. Eine Pflicht zur Ausweisung von Einfamilienhäusern im Interesse einzelner Bauwilliger wird sich daraus aber nur in den seltensten Fällen ableiten lassen. Vielmehr müssen gemäß § 1 Abs. 5 BauGB gerade umweltschützende Anforderungen „in Verantwortung gegenüber künftigen Generationen“ beachtet werden. Die rechtlichen Grundlagen für ein „Verbot“ von Einfamilienhäusern bestehen daher bereits seit langem. Eine solche städtebauliche Planung stellt in der Praxis ohnehin keine Seltenheit dar: So wies etwa der Bezirk Hamburg-Nord zum letzten Mal im Jahr 2005 überhaupt noch Einfamilienhäuser aus – ganze zehn Stück. Der nun medial diskutierte Beschluss aus dem Jahr 2019 sollte diese behördliche Praxis lediglich formal festhalten.

Dabei treffen die Gemeinden allerdings auch unweigerlich eine Entscheidung darüber, ob der Traum vom Eigenheim mit Garten für viele nur noch in ländlichen Gebieten zu realisieren sein wird. Dafür müssen dann bessere Verkehrsanbindung und schnelleres Internet geschaffen und ein erhöhter Individualverkehr, beispielsweise zu Supermärkten, Schulen, Ärzten und Behörden akzeptiert werden. Es sprechen daher gute Gründe dafür, die Siedlungsentwicklung auch weiterhin in den Ballungsräumen zu halten und auch dort den Traum vom Eigenheim nach wie vor zu ermöglichen.

Die politische und mediale Diskussion zeigt aber, dass das gesellschaftliche Problembewusstsein um die Herausforderungen einer nachhaltigen städtebaulichen Entwicklung steigt. Mit Verboten lassen sich jedoch die grundlegenden Fragen nach einer sozial- und umweltverträglichen Entwicklung der Städte nicht lösen. Ohnehin werden laut Statistischem Bundesamt bereits jetzt fast 60 Prozent aller neu genehmigten Wohnungen in Mehrfamilienhäusern errichtet.

Deshalb sollte sich die politische Diskussion viel eher auf zwei andere Punkte konzentrieren:

Noch immer liegen selbst in innerstädtischen Bereichen viele Flächen brach. Auch vorhandene Gebäude bleiben ungenutzt, die Grundstücke dienen teilweise mehr der spekulativen Geldanlage als der Schaffung neuen Wohnraums. Instrumente wie die im Baugesetzbuch vorgesehen Baugebote kommen hier noch zu selten zum Einsatz.

Zum anderen aber bietet eine engere Zusammenarbeit zwischen Gemeinden und potentiellen Bauträgern die Chance, unter Ausnutzung der technischen Möglichkeiten – etwa bei der Auswahl umweltfreundlicher Baustoffe – dem berechtigten Interesse der Menschen nach „Haus und Hof“ in einer sozial- und umweltverträglichen Art und Weise Rechnung zu tragen. Ein denkbares Instrument hierfür wäre etwa der Abschluss städtebaulicher Verträge, in denen Gemeinde und Vorhabenträger Anforderungen an die energetische Beschaffenheit der zu errichtenden Gebäude vereinbaren. Hiermit lassen sich deutlich flexiblere Regelungen finden, die den Umständen des jeweiligen Einzelfalles besser gerecht werden, als es Verbote je könnten. Das Ziel der „grünen Stadt“ lässt sich am besten gemeinsam erreichen.

 

Meine Empfehlungen:

  • Gemeinden sollten Brachflächen und andere Potentiale der Innenentwicklung im eigenen Gemeindegebiet analysieren.
  • Bei der Ausweisung neuer Baugebiete sollten Gemeinden und Vorhabenträger gemeinsam vereinbaren, welche Maßnahmen mit Blick auf das umweltfreundliche und flächensparende Bauen zu ergreifen sind.
  • Ein pauschales Verbot von Einfamilienhäusern ist weder auf gesetzlicher Ebene angezeigt, noch würde es im Rahmen der Bauleitplanung dem Abwägungsgebot gerecht.
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