Blogbeitrag
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10.09.2025
Mit der Umsetzung der europäischen Erneuerbare-Energien-Richtlinie RED III (Richtlinie (EU) 2023/2413) soll der Ausbau der Windenergie in Deutschland weiter beschleunigt werden. Das Gesetzespaket, das am 15. August 2025 in Kraft getreten ist, greift zentrale Vorgaben der Richtlinie auf und verändert – ein weiteres Mal – die Rahmenbedingungen für die Planung und Genehmigung von Windenergieanlagen an Land erheblich. Insbesondere die Einführung von sogenannten Beschleunigungsgebieten verspricht auf lange Sicht eine Vereinfachung der Genehmigungsverfahren, wirft aber gerade kurzfristig zahlreiche neue rechtliche und praktische Fragen auf.
Was sind Beschleunigungsgebiete?
Das neue Gesetz unterscheidet mehrere Kategorien von Flächen, die als Beschleunigungsgebiete im Sinne des § 6b Windenergieflächenbedarfsgesetz (WindBG) gelten. Das sind:
Schon heute relevant: Bestehende Windenergiegebiete nach § 6a WindBG
Beschleunigungsgebiete sind alle Gebiete, die bis zum 19. Mai 2024 ausgewiesen wurden und für die im Rahmen der ursprünglichen Planung eine Umweltprüfung und – falls erforderlich – eine Natura-2000-Verträglichkeitsprüfung durchgeführt worden ist. Solche Bestandsgebiete gelten als Beschleunigungsgebiete, sofern sie nicht in Natura-2000-Gebieten, Naturschutzgebieten, Nationalparks oder Biosphärenreservaten liegen.
(Neue) Beschleunigungsgebiete in Regionalplänen nach § 28 Raumordnungsgesetz (ROG) n.F. und Flächennutzungsplänen
Künftig auszuweisende Vorranggebiete für die Windenergie müssen zugleich als Beschleunigungsgebiete festgelegt werden, sofern sie nicht in sensiblen Schutzgebieten liegen. Dazu zählen neben Naturschutzgebieten und Natura-2000-Gebieten auch solche mit „landesweit bedeutendem Vorkommen“ von durch Windenergie betroffenen Vogelarten oder europarechtlich streng geschützten Arten (sog. „Anhang-IV-Arten“). Damit wird die Regionalplanung dazu verpflichtet, die Beschleunigungsgebiete parallel zu den Vorranggebieten auszuweisen. Entscheidet sich die Regionalplanung, schon laufende Verfahren ohne Beschleunigungsgebiete abzuschließen, muss sie binnen dreier weiterer Monate nach Verfahrensabschluss in die Ausweisung von Beschleunigungsgebieten einsteigen. Auch ist eine Neuregelung für zusätzliche Beschleunigungsgebiete in Flächennutzungsplänen vorgesehen (§ 249c BauGB).
Was gilt im Beschleunigungsgebiet?
Innerhalb der Beschleunigungsgebiete sollen Genehmigungsverfahren verschlankt werden. Im Kern werden hier die bisher schon für Windenergiegebiete geltenden Vereinfachungen fortgeführt und erweitert:
So entfällt im Beschleunigungsgebiet weiterhin die Pflicht, eine Umweltverträglichkeitsprüfung durchführen zu müssen. Auch die artenschutzrechtliche Prüfung wird modifiziert und deutlich vereinfacht. Kartierungen und umfangreicher Arterfassungen bedarf es nicht, es wird auf vorhandene Daten zurückgegriffen. Sind keine Daten vorhanden, werden die zentralen artenschutzrechtlichen Fragen über eine Ausgleichszahlung gelöst. Ablehnungen aus Gründen des Artenschutzes wird es nicht geben. So weit, so bekannt: Entsprechendes galt auch schon bisher im Windenergiegebiet bei einem Antrag nach § 6 WindBG.
Zentrale Neuerung ist die Abschichtung der Prüfung: Alles, was schon auf Planungsebene abgearbeitet wurde, soll im Genehmigungsverfahren nicht mehr geprüft werden. Die Genehmigungsprüfung soll vielmehr auf „eindeutige Nachweise höchstwahrscheinlich erheblicher unvorhergesehener nachteiliger Umweltauswirkungen“ beschränkt werden.
Erleichterungen bei der Natura-2000-Prüfung
Neu und besonders wirkungsvoll sind auch Erleichterungen bei der Natura-2000-Verträglichkeitsprüfung im Beschleunigungsgebiet:
Während diese Prüfung in der Vergangenheit zu Verzögerungen und teilweise auch Ablehnungen gerade bei Vorhaben in unmittelbarer Nähe zu Natura-2000-Gebieten führte, entfällt sie nach neuem Recht im Genehmigungsverfahren, sofern im Rahmen der Flächenausweisung bereits eine entsprechende Verträglichkeitsprüfung durchgeführt worden ist. Dies schafft Erleichterungen, birgt aber auch Unsicherheiten. Denn nicht immer ist eindeutig, ob tatsächlich eine Verträglichkeitsprüfung im Planungsverfahren durchgeführt wurde. Dies ist im Einzelfall zu prüfen und zu entscheiden. Batteriespeicher im Blick – zumindest ein bisschen
Schließlich hat der Gesetzgeber auch die Zulassung von Speichern – jedenfalls im Ansatz – mitgedacht. Plangeber können künftig bestimmen, dass Batteriespeicher als privilegiert gelten, wenn sie im räumlich-funktionalen Zusammenhang mit Windenergieanlagen errichtet werden und eine „dienende Funktion“ besitzen. Die Gesetzesbegründung bleibt bei der Frage, wann ein Speicher eine solche dienende Funktion übernimmt, allerdings unkonkret: „Der praxisrelevanteste Fall dürfte künftig der Batteriespeicher sein, der den Windpark bei der Markt- und Netzintegration des erzeugten Stroms unterstützt“, heißt es dort. Das ist ein erfreulich breiter Ansatz, der den Begriff des „Dienens“ weit versteht. Damit wird zwar ein erster Schritt zur Integration von Speichern in die Planung getan, eine umfassende Lösung samt allgemeiner Privilegierung von Batteriespeichern bleibt aber weiter aus.
Meine Empfehlung
Wie weiter in der Praxis? Tipps für die Übergangszeit
Begonnene Verfahren werden nach altem Recht fort- und zu Ende geführt, außer der Vorhabenträger beantragt die Anwendung der neuen Regelungen. Die neuen Vorschriften eröffnen einerseits die Möglichkeit, Verfahren deutlich schneller durchzuführen. Zugleich werfen sie aber noch zahlreiche Auslegungsfragen auf und verlangen von Vorhabenträgern wie auch von den Behörden eine sorgfältige Vorbereitung und Abstimmung. Insbesondere die Vielzahl unbestimmter Rechtsbegriffe – etwa was als „unvorhergesehene nachteilige Auswirkungen“ gilt – dürfte in der Praxis Fragen aufwerfen. Hier ist eine zügige untergesetzliche Klarstellung (etwa in Form eines Vollzugsleitfadens wie bei § 6 WindBG) wünschenswert.
Wer die neuen Spielräume nutzen will, sollte sich frühzeitig und strategisch auf die Verfahren einstellen. Besonders wichtig für Vorhabenträger:
- Frühzeitig prüfen, ob für das beplante Gebiet bereits ausreichende und aktuelle Umweltdaten vorliegen, und gegebenenfalls eine Datenabfrage bei der Behörde vornehmen.
- Auch wenn Kartierungen nicht mehr zwingend erforderlich sind, empfiehlt es sich, eine „abgespeckte“ artenschutzfachliche Unterlage mit Bewertung und Vorschlägen für Minderungsmaßnahmen einzureichen.
- Bei Bestandsgebieten ist eine genaue Analyse nötig, was als „unvorhergesehene“ Umweltauswirkung gilt; nicht jede neue Entwicklung rechtfertigt zusätzliche Prüfungen.
- Stets im Einzelfall prüfen, welche Vor- und Nachteile eine Umstellung laufender Verfahren mit sich bringt.
Für Behörden gilt:
- Wegen der kurzen Prüffrist, ob unvorhergesehene erhebliche nachteilige Umweltauswirkungen vorliegen, von 45 Tagen ist eine enge und zügige Abstimmung mit den Trägern öffentlicher Belange insbesondere im Bereich Naturschutz sicherzustellen
- Klar definieren, welche Unterlagen Vorhabenträger einreichen müssen, um unnötige Verzögerungen zu vermeiden.
Der Kopf hinter dem Beitrag.

Tobias Roß berät zu Fragen des Umwelt-, Planungs- sowie Klimaschutzrechts. Er begleitet insbesondere Vorhaben und Planungen im Bereich der Erneuerbaren Energien. Ein weiterer Schwerpunkt seiner Tätigkeit ist das Recht der Landes- und Regionalplanung.