Blogbeitrag
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04.08.2025
Hitzewelle in Südeuropa, massiver Anstieg des Meeresspiegels, Dürreperioden gepaart mit Starkregen und Überschwemmungen: Der Klimawandel bedroht die Lebensgrundlagen vieler Menschen. In seinem mit Spannung erwarteten Rechtsgutachten (Obligations of States in respect of Climate Change) hebt der Internationale Gerichtshof (IGH), das Hauptrechtsprechungsorgan der Vereinten Nationen, einstimmig die existentielle Bedrohung durch den menschengemachten Klimawandel hervor und leitet daraus auch die Verpflichtung einzelner Staaten ab, etwas dagegen zu unternehmen. Danach können Staaten, die ihre Verpflichtungen aus internationalen Abkommen zum Klimaschutz verletzen, rechtlich zur Verantwortung gezogen werden. IGH-Präsident Yuji Iwasawa aus Japan erklärte bei der Verlesung des Gutachtens in Den Haag am 23.07.2025, dass ein solches Versäumnis eines Staates eine völkerrechtswidrige Handlung darstellen könne.
Das Verfahren vor dem IGH hat für großes Aufsehen gesorgt: Viele Stellungnahmen und Kommentare waren dort eingegangen hinzu kamen umfangreiche mündliche Vorträge. In Auftrag gegeben hatte das Rechtsgutachten die Generalversammlung der Vereinten Nationen bereits im Frühjahr 2023. Dabei hatte sie zwei Fragen an den IGH formuliert:
- Was sind die völkerrechtlichen Verpflichtungen von Staaten, um den Schutz des Klimas und anderer Teile der Umwelt vor anthropogenen Treibhausgasemissionen gegenüber Staaten sowie gegenwärtigen und zukünftigen Generationen zu gewährleisten?
- Welche Rechtsfolgen ergeben sich für Staaten, wenn diese durch ihr Tun und Unterlassen wesentlichen Schaden am Klimasystem und anderen Teilen der Umwelt verursachen? Die zweite Frage richtete sich dabei ausdrücklich auch auf spezielle Verpflichtungen gegenüber kleinen Inselentwicklungsländern („small island developing States“), die allgemein als besonders vom Klimawandel betroffen gelten, obwohl sie selbst nur in geringem Umfang dazu beitragen.
Die Antworten des Gerichtshofs gleichen einem Rund-um-Schlag: So setzen sich die Richterinnen und Richter überwiegend mit den verschiedenen völkerrechtlichen Verträgen auseinander, die für den Klimaschutz relevant sind. Darunter fallen unter anderem das Klimarahmenübereinkommen der Vereinten Nationen sowie das Übereinkommen von Paris und die Internationale Menschenrechtscharta. In den Blick nimmt der IGH aber auch das durch Gewohnheitsrecht geformte Umweltvölkerrecht sowie andere umweltrechtlich geprägte Abkommen, insbesondere das Übereinkommen über die biologische Vielfalt. In diesem Zusammenhang mahnt der IGH die Staaten, die vertraglich vereinbarten Verpflichtungen einzuhalten.
Hervorzuheben ist dabei, dass der IGH den Zusammenhang zwischen Umweltzerstörung und Menschenrechten betont: Diverse Menschenrechte können in den unterschiedlichen Regionen der Welt nicht vollständig verwirklicht werden, wenn die nicht in der Lage sind, in einer sauberen, gesunden und nachhaltigen Umwelt („right to a clean, healthy and sustainable environment“) zu leben. Damit folgt der IGH der Rechtsprechung anderer Gerichte, die sich bereits mit so genannten Klimaklagen befasst haben. Leider spart das Gutachten Aspekte der Klimagerechtigkeit und der nachfolgenden Generationen aus. Diese Kritik zeigt sich auch an den Sondervoten einiger Richterinnen und Richter.
Revolutionär ist das Gutachten in seinen Feststellungen nicht. Dafür fehlt bereits die Rechtsverbindlichkeit. Es ist vielmehr ein Appell, indem es die Staatengemeinschaft klar dazu auffordert, sich an die bestehenden Verpflichtungen zu halten und den Klimaschutz voranzubringen. Wie bisher obliegt es auch weiterhin den einzelnen Staaten selbst, die völkerrechtlichen Verpflichtungen im nationalen Recht umzusetzen. Wer das nicht möchte, kann im Zweifel einen solchen einmal eingegangenen Vertrag auch wieder kündigen.
So weisen die Richterinnen und Richter am Ende ihres Gutachtens daraufhin, dass der Klimawandel ein hochkomplexes und vielschichtiges Phänomen sei, das über lange Zeiträume hinweg mögliche Verantwortlichkeiten mehrerer Staaten mit sich bringt. Zu Forderungen nach Wiedergutmachungen von Staaten, die große Mengen an Treibhausgasen ausstoßen, ohne genug zur Bekämpfung des Klimawandels zu leisten, erklärte der IGH lediglich, dass darüber im Einzelfall entschieden werden müsse. Besondere Konsequenzen müssen diese Staaten nach dem Gutachten nicht notwendigerweise befürchten.
Gleichwohl liefert das Rechtsgutachten argumentative Schützenhilfe für Umweltaktivistinnen und Umweltaktivisten. Auch Klagen einzelner Betroffener, die von NGOS strategisch vor nationale Gerichte gebracht werden, könnte es neu beflügeln.
Mein Fazit:
- Der IGH stellt klar, was bisher auch schon galt: Verstöße gegen die Pflicht, das Klima zu schonen, können Folgen haben. Wenn beispielsweise ein Staat nicht seinen Verpflichtungen nachkommt, etwa den Ausstoß von Emissionen zu reduzieren, so muss er dies beenden und sicherstellen, dass er sich künftig an seine völkerrechtlichen Pflichten hält. Im Einzelfall können hieraus Reparationen oder Schadenersatzleistungen resultieren.
- Das Gutachten mag so genannte Klimaklagen befeuern, denn es liefert mit seinen allgemeinen Erwägungen fundierte und in der Sache zutreffende Argumente.
- Unmittelbare Auswirkungen auf die Prozessführung von Privaten entfaltet das Gutachten im Ergebnis nicht. Völkerrechtliche Verträge binden zunächst einmal nur die Vertragsstaaten – ihnen obliegt zuerst die Umsetzung des Klimaschutzes.
Der Kopf hinter dem Beitrag.

Natalie Carstens beschäftigt sich schwerpunktmäßig mit rechtlichen Fragen im Bereich der Erneuerbaren Energien sowie des Planungs- und Umweltrechts. Hier berät und vertritt sie Energieversorgungsunternehmen und Anlagenbetreiber ebenso wie Gemeinden und Ämter. Ein besonderer Fokus ihrer Tätigkeit liegt auf dem juristischen Projektmanagement im Planfeststellungsverfahren.