Überbauen statt warten – Flexible Netzanschlussvereinbarungen als Weg zum zügigen Netzzugang

Judith Affeldt

Blogbeitrag

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22.10.2025

Der Netzanschluss ist zum Engpass einer beschleunigten Energiewende geworden. Trotz steigender Ausbauzahlen bei den Erneuerbaren Energien drohen zahlreiche Projekte zu scheitern, weil die Anbindung an das Stromnetz fehlt oder sich aufgrund regulatorischer und technischer Hürden erheblich verzögert.

 

Für Anlagenbetreiber bedeutet das: fertig gebaute Projekte dürfen nicht einspeisen, Zuschläge verlieren ihre Wirkung, und Rechtsunsicherheit prägt den gesamten Prozess.

 

Überbauen statt warten

 

Die vom Gesetzgeber Anfang dieses Jahres eingeführte Möglichkeit des Abschlusses flexibler Netzanschlussvereinbarungen ermöglicht nunmehr die „Überbauung“ von Netzverknüpfungspunkten, sodass Erneuerbare-Energien-Anlagen und Batteriespeicher verschiedener Betreiber auch dann an einem Netzverknüpfungspunkt gemeinsam angeschlossen werden können, wenn die Nennleistung aller Anlagen über die an diesem Netzverknüpfungspunkt verfügbare Anschlusskapazität hinausgeht.

 

Solche flexiblen Netzanschlussvereinbarungen haben nach unserer Beratungserfahrung erhebliches Potenzial für eine effektive Nutzung der – aktuell teilweise beschränkten – Netzanschlusskapazitäten und spielen für die Praxis schon heute eine ganz erhebliche Rolle:

Sie ermöglichen eine optimale Auslastung des Netzverknüpfungspunktes, der aufgrund der volatilen – d.h. schwankenden – Einspeisung von erneuerbaren Energien meistens nur gering ausgelastet ist. Photovoltaikanlagen und Windenergieanlagen haben durch die unterschiedlichen Anforderungen an Windstärke und Sonnenstunden verschiedene Zeiten der Volleinspeisung. Durch den Abschluss von flexiblen Netzanschlussvereinbarungen im Rahmen dieses „Cable-Pooling“ können Netzverknüpfungspunkte effizienter genutzt werden, was zu erheblichen Kosten- und Zeitersparnissen führen kann. Die praktische Relevanz steigt zudem in Verbindung mit Batteriespeichern, die die erzeugte Energie zwischenspeichern können.

 

Wo liegen die Regelungsschwerpunkte?

 

Es zeigt sich, dass die Gestaltung und Verhandlung solcher flexibler Netzanschlussvereinbarungen knifflig ist. Die Vertragspartner müssen sich insbesondere über folgende Punkte Gedanken machen:

 

Zulässigkeit und Umfang der Überbauung:

  • Wie weit darf die installierte Leistung über die Netzanschlusskapazität hinausgehen, und unter welchen Bedingungen ist eine Abregelung oder Flexibilisierung rechtlich zulässig

Verteilungs- und Abregelungsmechanismen:

  • Wer entscheidet im Fall von Netzengpässen über die Reduzierung der Einspeisung und wie verhält sich dies zu einer freiwillig vereinbarten Begrenzung der Einspeiseleistung? Wie werden Transparenz, Mitspracherechte und faire Beteiligungsmechanismen zwischen den angeschlossenen Anlagenbetreibern gewährleistet?

Haftung und Risikoallokation:

  • Wer trägt das wirtschaftliche Risiko für Einspeisebegrenzungen oder Netzrückwirkungen – der Netzbetreiber oder der Anlagenbetreiber – und in welchem Umfang sind Schadensersatz- bzw. Entschädigungsansprüche ausgeschlossen oder vorgesehen

Vergütungs- und Förderrechtliche Einordnung:

  • Wie wirkt sich die flexible Nutzung des Netzanschlusses auf EEG-Vergütung, Direktvermarktung und mögliche Marktprämien aus, insbesondere wenn der Anlagenbetreiber nicht die gesamte installierte Leistung jederzeit einspeisen darf?

Was ist zu tun?

 

Der Abschluss einer transparenten und angemessenen Netzanschlussvereinbarung, die interessensgerecht ausgestaltet ist, ist nach unserer Einschätzung ein entscheidender Baustein für den beschleunigten Ausbau erneuerbarer Energien. Dadurch kann der Netzbetreiber zudem seiner – gesetzlichen – Pflicht zum Netzanschluss besser und schneller nachkommen und etwaige Verzögerungen beim Anschluss durch den noch auszuführenden Netzausbau überbrücken.

 

Vorhabenträger sollten daher frühzeitig das Gespräch mit dem Netzbetreiber suchen und die Möglichkeit einer flexiblen Netzanschlussvereinbarung prüfen (lassen). Je früher die vertraglichen Rahmenbedingungen festgelegt werden, desto früher herrscht Planungssicherheit für alle Beteiligten und umso besser lassen sich Zeitverzögerungen im Projektverlauf auffangen.

Der Kopf hinter dem Beitrag.

Judith Affeldt befasst sich schwerpunktmäßig mit rechtlichen Fragen im Bereich der Erneuerbaren Energien sowie des Umwelt- und Planungsrechts. Neben dem Projektmanagement für die Bundesnetzagentur im Rahmen des Ausbaus der Höchstspannungsleitungen berät sie unter anderem Betreiber von Windenergie- und Photovoltaikanlagen sowie Batteriespeichern in Planungs- und Genehmigungsverfahren sowie zu Fragen des Netzanschlusses.

Judith Affeldt

DOMBERT Rechtsanwälte

Unsere Tätigkeit umfasst alle Rechtsfragen und Konflikte, in denen der Staat, Kommunen oder Behörden beteiligt sind.