Wer zu spät kommt: Langsames Behördenhandeln muss auch bei der Genehmigung von Windenergieanlagen sanktioniert werden

Michael Liesegang

Blogbeitrag

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10.12.2025

Windenergieanlagen sollen schneller genehmigt werden. Um diesem erklärten Ziel näher zu kommen, hat der Gesetzgeber die Entscheidungsfristen mit Umsetzung der RED-III-Novelle zuletzt teilweise verkürzt: Seit dem 15.08.2025 gilt für Repoweringvorhaben unter bestimmten Voraussetzungen eine Frist von sechs Monaten für das förmliche Verfahren. Bei vereinfachten Verfahren gilt weiterhin eine Entscheidungsfrist von drei Monaten und bei regulären Verfahren soll die Genehmigung innerhalb von sieben Monaten erteilt werden, sobald die Antragsunterlagen vollständig vorliegen.

 

Soweit die Theorie. Die Praxis sieht oftmals anders aus. So passiert es leider immer wieder, dass Genehmigungsbehörden diese Fristen schlicht ignorieren oder eine Entscheidung sogar bewusst hinauszögern, bis sich die Sach- und Rechtslage derart geändert hat, dass zum Beispiel der Standort aufgrund einer zwischenzeitlich erfolgten Entprivilegierung nicht mehr genehmigt werden kann. Ein solches Behördenhandeln bleibt folgenlos. Das Bundesimmissionsschutzgesetz sieht keine echten Sanktionen vor.  Es fehlt an einem effektiven Durchsetzungsinstrument, wenn die Fristen verstrichen sind – allerdings mit einer Ausnahme:  Für vereinfachte Änderungsgenehmigungen bei Windenergieanlagen sieht das Gesetz (§ 16b Abs. 9 BImSchG) mittlerweile vor, dass die Genehmigung fingiert wird, wenn die Behörde nicht rechtzeitig entscheidet. Die bisherigen Erfahrungen aus der Praxis sind eindeutig: Die Entscheidungen kommen jetzt pünktlich.

 

Maßgeblicher Beurteilungszeitpunkt ist problematisch

 

Nun liegt es auf der Hand, dass es nicht sachgerecht wäre, die Neugenehmigung eines Windparks zu fingieren. Den Vorhabenträgern, die vergebens auf eine fristgerechte Entscheidung der Behörden warten, bleibt bisher nichts anderes übrig, als eine Untätigkeits-Verpflichtungsklage zu erheben. Diese darf nach der aktuellen Rechtsprechung unmittelbar mit Ablauf der Entscheidungsfristen erhoben werden.

 

Aber der maßgebliche Zeitpunkt zur Beurteilung der Sach- und Rechtslage bei Verpflichtungsklagen ist im allgemeinen Verfahrensrecht grundsätzlich der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung. Aufgrund der langen gerichtlichen Verfahrenszeiten folgt daraus bisher, dass die Gerichte bei der Beurteilung der Genehmigungsfähigkeit des Vorhabens auch Rechtsänderungen berücksichtigen, die sich nach Ablauf der behördlichen Entscheidungsfrist ergeben haben.

 

Ein aktuelles Beispiel aus der Praxis ist die Entprivilegierung aufgrund der Regionalplanung. Viele Planungsregionen sind bemüht und politisch getrieben, möglichst schnell die Pläne aufzustellen und so die Entprivilegierung herbeizuführen. Dort wo nicht ohnehin schon Moratorien für die Übergangszeit eingeführt wurden, nehmen manche Planungsregionen seit langem vorgesehene Flächenkulissen kurz vor dem Satzungsbeschluss wieder heraus, so geschehen in Mecklenburg-Vorpommern.

 

Im schlimmsten Fall ist das Vorhaben zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung dann nicht mehr genehmigungsfähig. Es bleibt die Feststellung, dass die Nicht-Erteilung der Genehmigung bei Ablauf der Entscheidungsfrist rechtswidrig war.  Vorhabenträger müssen sich dann überlegen, ob sie im Rahmen der Amtshaftung Schadenersatzansprüche gegen die Behörde vor einem ordentlichen Gericht geltend machen wollen. Nichts anderes gilt, wenn ein Vorhaben zwar rechtzeitig vor Fristablauf, aber dennoch rechtswidrig versagt wurde.  Auch bei einer dann zu erhebenden (Anfechtungs-)Verpflichtungsklage ist der maßgebliche Zeitpunkt zur Beurteilung der Sach- und Rechtslage nach allgemeinem Verfahrensrecht der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung.

 

Betroffenen Vorhabenträger haben in diesen Fällen theoretisch noch eine Möglichkeit, um die begehrte Genehmigung doch noch zu erhalten: den gerichtlichen Eilrechtsschutz. Die Gerichte sind hier bisher aber zurückhaltend und haben – soweit bekannt – noch keine Genehmigung im Eilrechtsschutz durchgesetzt.

 

Die verschiedenen Szenarien weisen auf ein strukturelles Problem hin. Um straffe Entscheidungsfristen in der Praxis durchzusetzen, muss es für die Betroffenen eine prozessrechtliche Rückendeckung geben.  Ansonsten verfehlen die Gesetzesänderungen zur Beschleunigung des Windenergieausbaus ihr Ziel.

 

Gerichtlicher Beurteilungszeitpunkt muss vorverlagert werden

 

Aber es gibt eine Lösung für dieses Problem: Bei einer Untätigkeitsklage müsste der Ablauf der Entscheidungsfrist der maßgebliche Zeitpunkt sein.  Diese Frage ist soweit ersichtlich bisher ungeklärt bzw. nur vereinzelt in der Literatur thematisiert worden. Auch die Gerichte haben sich mit dieser Frage bisher nicht tiefer auseinandergesetzt. Sie gehen nach wie vor und ohne weitere Prüfung vom „regulären“ Entscheidungszeitpunkt, also dem Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung, aus.

 

Dabei sprechen die geänderten Entscheidungsfristen sowie die Intention des Gesetzgebers für eine Vorverlagerung des Beurteilungszeitpunkts. Auch die „Flucht in den Regionalplan“, wie sie aktuell stattfindet, zeigt, dass die bisherige Rechtsanwendung nicht sachgerecht ist.

 

Diese Frage sollte zeitnah gerichtlich geklärt werden, um auf diese Weise vielleicht entprivilegierte Standorte doch noch zu retten.  

 

Ungeachtet dessen wäre es zusätzlich wünschenswert, wenn der Gesetzgeber den maßgeblichen Zeitpunkt für eine Klage auf den Fristablauf vorverlegen würde, um so die Behörden anzutreiben. Eine Blaupause kann er bei der gesonderten Vorverlagerung des maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt für die Abwägung von Bauleitplänen im Baugesetzbuch (§ 214 Abs. 3 Satz 1 BauGB) finden.

 

Fazit

  • Das gesetzgeberische Ziel einer schnelleren Genehmigung von Windenergieanlagen bleibt ohne effektive Sanktionen wirkungslos.
  • Die Energiewende braucht nicht nur schnellere Verfahren auf dem Papier, sondern vor allem echte Investitions- und Planungssicherheit in der Praxis.
  • Hier braucht es auf allen Ebenen Mut zur Rechtsfortbildung.

Der Kopf hinter dem Beitrag.

Michael Liesegang beschäftigt sich schwerpunktmäßig mit rechtlichen Fragen im Bereich der Erneuerbaren Energien sowie des Umwelt- und Planungsrechts. Hier berät und vertritt er Energieversorgungsunternehmen und Anlagenbetreiber ebenso wie Gemeinden und Ämter bei der Raumordnungs- und Flächennutzungsplanung, bei der Anlagenzulassung und im rechtlichen Projektmanagement.

Michael Liesegang

DOMBERT Rechtsanwälte

Unsere Tätigkeit umfasst alle Rechtsfragen und Konflikte, in denen der Staat, Kommunen oder Behörden beteiligt sind.