Blogbeitrag
|
22.09.2025
Als erster Stimmungstest für die neue Bundesregierung fanden die Kommunalwahlen in Nordrhein-Westfalen am 14. September 2025 deutschlandweit Beachtung. Praktisch ging es bei dieser Wahl aber eigentlich darum, dass insgesamt rund 13,7 Mio. Wählerinnen und Wähler in Deutschlands bevölkerungsreichsten Bundesland Gelegenheit erhielten, über die Besetzung ihrer Stadträte, Landräte und Rathäuser zu entscheiden. Zunehmend rückt bei Kommunalwahlen aber nicht nur das Ergebnis selbst, sondern auch das, was im Anschluss geschieht, in den Fokus: Immer häufiger werden Wahlergebnisse angefochten.
Bei der Wahlanfechtung handelt es sich um ein Instrument, mit dem sich die Wahlvorbereitung, der Wahlvorgang sowie die Auszählung nachträglich überprüfen lassen. Dabei wird dieses Mittel, das eigentlich die demokratische Wahl sichern soll, zunehmend von Verfassungsfeinden eingesetzt, um Zweifel an der Legitimität der Wahl zu streuen. Ein korrekt durchgeführtes Wahlprüfungsverfahren kann die Zweifel an der Ordnungsgemäßheit der Wahl aber ausräumen. Dabei ist folgendes zu beachten:
In Nordrhein-Westfalen regeln die Vorschriften des Kommunalwahlgesetzes (§§ 39 ff. KWahlG NRW) dieses Verfahren. Dabei sieht das Gesetz eine zweistufige Prüfung vor: Zunächst muss für eine erfolgreiche Wahlanfechtung überhaupt ein Wahlfehler vorliegen (§ 39 KWahlG NRW), der zudem auch mandatsrelevant gewesen sein muss (§ 40 Abs. 1 lit. b KWahlG NRW). Als Wahlfehler kommen grundsätzlich alle Abweichungen von dem gesetzlich vorgesehenen Ablauf der Wahlen in Betracht.
In der Praxis haben sich jedoch einige Fallgruppen von Wahlanfechtungen herausgebildet. Dazu zählen zunächst die Geltendmachung von Rechen- oder Zeichenfehlern. Diese können allerdings regelmäßig durch einfache Nachzählungen der Wahlausschüsse korrigiert werden. Komplexer wird es hingegen, wenn das konkrete Verhalten einzelner Wahlbeteiligter beanstandet wird. Dabei kommen beispielsweise unzulässige Wahlbeeinflussungen durch die Kandidaten selbst, aber auch durch staatliche Ämter wie den Wahlleiter in Betracht. Auch eine Verletzung der Neutralitätspflicht des Bürgermeisters kann angeführt werden, um Kommunalwahlen anzufechten. Häufig fällt die Abgrenzung zwischen dem zur politischen Neutralität verpflichteten Amtsträger einerseits und dem aktiven politischen Wahlkämpfer andererseits schwer, obwohl hierzu bereits eine Vielzahl an Rechtsprechung vorliegt.
In der Praxis scheitern Wahlanfechtungen jedoch zu einem großen Teil an der zweiten genannten Voraussetzung – der sogenannten Mandatsrelevanz des Wahlfehlers. § 40 Abs. 1 lit. b KWahlG NRW verlangt, dass die festgestellte Unregelmäßigkeit „im jeweils vorliegenden Einzelfall auf das Wahlergebnis im Wahlbezirk oder die Zuteilung der Sitze aus der Reserveliste von entscheidendem Einfluss gewesen“ sein muss. Das Bundesverfassungsgericht konkretisiert diese Anforderungen dahingehend, dass es sich dabei um eine „nach der allgemeinen Lebenserfahrung konkrete und nicht ganz fernliegende Möglichkeit“ handeln muss, dass der Wahlfehler die Sitzverteilung tatsächlich beeinflusst hat (BVerfGE 146, 327 Rn. 40). Die meisten Wahlanfechtungen scheitern an dieser Hürde und werden daher von der neugewählten Vertretung als unbegründet zurückgewiesen (vgl. § 40 Abs. 1 lit. d KWahlG NRW).
Diese behördliche Entscheidung unterliegt der gerichtlichen Kontrolle. So können Beschwerdeführer gegen diesen Beschluss binnen eines Monats Klage vor dem zuständigen Verwaltungsgericht erheben (§ 41 Abs. 1 S. 1 KWahlG NRW). Werden hingegen Unregelmäßigkeiten im jeweiligen Stimmbezirk inklusive entsprechender Mandatsrelevanz festgestellt, ist die Wahl nach § 42 Abs. 1 KWahlG NRW im gesamten Wahlbezirk zu wiederholen. Solche Fälle bilden jedoch die absolute Ausnahme.
Letztendlich kommt den zuständigen Behörden bei der Prüfung von Wahlanfechtungen eine besondere Verantwortung zu. Es gilt, eingegangene Einsprüche sorgfältig zu prüfen und souverän zu bescheiden – sowohl zum Schutz der demokratischen Ordnung, als auch zur Wahrung des öffentlichen Vertrauens in faire Wahlen. Angesichts der oben beschriebenen gezielten Versuche, die Legitimität demokratischer Prozesse durch strategische Wahlanfechtungen zu untergraben, ist es umso wichtiger, den rechtlichen Rahmen für Kommunalwahlen nicht nur zu beherrschen, sondern ihn auch klar und verständlich gegenüber der Öffentlichkeit zu kommunizieren. Nur so lässt sich dem faden Beigeschmack einer Wahlanfechtung entschieden begegnen und verhindern, dass die Vorwürfe einer „unfairen Wahl“ verfangen. Langfristig könnte sogar der Fortbestand unserer Demokratie davon abhängen.
Der Kopf hinter dem Beitrag.
Dr. Dominik Lück berät Kommunen und politische Entscheidungsträger zum kommunalen Wahlrecht. Darüber hinaus beschäftigt er sich mit Fragen des Presserechts und des Informationszugangs. Weiter Schwerpunkte bilden der Datenschutz, die Digitalisierung und der Einsatz von KI in der kommunalen Verwaltung.