Blogbeitrag
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05.12.2025
Der jüngst veröffentlichte Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) zur Beamtenbesoldung hat es in sich: Das höchste deutsche Gericht stellte fest, dass die Besoldung der Landesbeamtinnen und Beamten in Berlin in den Besoldungsordnungen A und im Zeitraum vom 01.01.2008 bis 31.12.2020 verfassungswidrig ist. Zugleich hat das Gericht die Maßstäbe für die Überprüfung der Besoldung weiterentwickelt (Az.: 2 BvL 5 /18 u.a. vom 17.09.2025).
Die Folgen sind gravierend, denn der Beschluss ist über das Land Berlin hinaus für die Besoldung der Beamten im Bund und in den anderen Bundesländern von Bedeutung. Viele Besoldungsgesetze könnten kippen, Widersprüche der Betroffenen die Verwaltungen überschwemmen und vor allem Nachzahlungen in Milliardenhöhe drohen. Ob die öffentlichen Haushalte diese Herausforderungen bewältigen können, darf bezweifelt werden. Allein in Berlin heißt es nach ersten Reaktionen aus dem Abgeordnetenhaus, dass die angesparte Rücklage von 280 Mio. EUR für die danach notwendigen Nachzahlungen an die Beamtinnen und Beamten nicht ausreiche.
Neue Maßstäbe für Besoldung
Aus Sicht des BVerfG verstieß die Besoldung der Beamten in Berlin seit wenigstens 2008 gegen das Gebot der Mindestbesoldung, das sich aus der verfassungsrechtlichen Alimentationspflicht des Dienstherrn als hergebrachter Grundsatz des Berufsbeamtentums (Art. 33 Abs. 5 GG) ergibt. Eine ausreichende Alimentation des Beamten und seiner Familie musste schon in den niedrigeren Besoldungsgruppen abgesichert werden. In den untersten Besoldungsgruppen sollte dies bislang durch einen Zuschlag von 15 Prozent auf die Grundsicherung gewährleistet werden. Diesen bislang geltenden Grundsatz entwickelt das Gericht dahingehend fort, dass die Besoldung künftig einen hinreichend großen Abstand zu einem realen Armutsrisiko des Beamten und seiner Familie sicherstellen muss. Nach der neuen Bemessung des BVerfG soll dafür nun die Prekaritätsschwelle maßgeblich sein, die bei 80 Prozent des Median-Äquivalenzeinkommens liegt. Dieser volkswirtschaftliche Parameter wird nach OECD-Vorgaben auf der Grundlage von Haushaltsdaten aus dem Mikrozensus von den Statistikämtern berechnet und im Internet veröffentlicht. Dieser Verstoß wirkt sich aufgrund der inneren Besoldungssystematik schon im Land Berlin auf alle Besoldungsgruppen der Besoldungsordnung A aus. Aber auch in anderen Bundesländern und im Bund lagen in der Vergangenheit und liegen aktuell noch mehrere Besoldungsgruppen unterhalb der Mindestbesoldung.
Hinzu kommt, dass der Gesetzgeber die Beamtenbesoldung gravierend von der Entwicklung der Tariflöhne und der Verbraucherpreise abgekoppelt hat. Die Unteralimentation sei auch nicht durch Vorteile bei der Versorgung oder der Absicherung im Fall von Krankheit oder sonstige Umstände der Beschäftigung im öffentlichen Dienst gerechtfertigt. Schließlich kann der bloße Verweis auf eine angespannte Haushaltslage die Verstöße gegen die Mindestbesoldung und bei der Fortschreibung der Besoldung nicht rechtfertigen. Hierfür müssten die Einsparvolumen durch ein „schlüssiges und umfassendes Konzept der Haushaltskonsolidierung“ auf alle Bereiche der Gesellschaft verteilt werden. Die Beamten müssten nicht mehr als andere Personen zur Haushaltskonsolidierung beitragen.
Effektiverer Rechtsschutz
Mit der Weiterentwicklung der Maßstäbe zur Überprüfung der Beamtenbesoldung will das BVerfG dazu beitragen, das die Überprüfung der Besoldung künftig einfacher ist. Es will für einen effektiven, also zeitnahe Rechtsschutz sorgen. Wenn die Beamten schon nicht streiken dürfen, so sollen sie ein wirksames alternatives Mittel haben, um ihre Interessen zu verteidigen und einen angemessenen Lebensunterhalt sicherzustellen.
Nachzahlungen müssten die Dienstherrn allerdings nur den Beamten gewähren, die mit Widersprüchen, Klagen und sonstigen Rechtsbehelfe gegen die Höhe der Besoldung vorgegangen sind.
Meine Empfehlung
- Dienstherrn in anderen Bundesländern sollten sich auf eine Vielzahl von Widersprüchen und eine schnellere sowie weitreichende Überprüfung der Besoldungsordnungen anhand der neuen strengeren Maßstäbe einstellen.
- Sie sollten Haushaltsmittel für etwaige höhere Nachzahlungen zurückstellen. Der zukünftige Bedarf an Personalmitteln (auch für Nachzahlungen an vorhandene Beamtinnen und Beamte) sollte bei aktuellen Einstellungsentscheidungen berücksichtigt werden.
- Für die Reform und Neustrukturierung des Besoldungsrechts haben die Gesetzgeber nicht viel Zeit.
Der Kopf hinter dem Beitrag.
Prof. Dr. Klaus Herrmann berät Bundes- und Landesbehörden sowie Hochschulen und Kommunen bei personalrechtlichen und -wirtschaftlichen Fragestellungen. Er unterstützt bei der Vorbereitung von Auswahlentscheidungen für Einstellungen oder Beförderungen sowie bei außergerichtlichen und gerichtlichen Disziplinarverfahren.