Blogbeitrag
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24.06.2025
In der saarländischen Gemeinde Eppelborn sorgt ein geplantes Einkaufszentrum für heftigen Streit. Dort sollen auf der grünen Wiese zwei Lebensmittelmärkte und ein Drogeriemarkt mit insgesamt 4.000 Quadratmetern Verkaufsfläche entstehen. Während die Gemeinde die Investition für überlebenswichtig hält, befürchten andere – allen voran das saarländische Bauministerium – eine Verödung des Ortskerns durch eine Verlagerung der Kaufkraft an den Ortsrand.
Eppelborn ist damit kein Einzelfall: Die Ansiedlung von großflächigen Einzelhandelsbetrieben stellt Städte und Gemeinden regelmäßig vor erhebliche Herausforderungen. Die Konfliktlinien verlaufen dabei nicht nur entlang politischer oder wirtschaftlicher Interessen. Spätestens bei der konkreten Umsetzung eines Vorhabens stellen sich vielfältige Fragen des öffentlichen Baurechts, insbesondere im Zusammenhang mit den jeweiligen städtebaulichen Zielsetzungen und der Suche nach geeigneten Baugebieten.
Hierbei haben nicht nur Vorhabenträger einen erhöhten Beratungsbedarf. Gerade kleinere Kommunen geraten schnell in ein undurchsichtiges Spannungsfeld zwischen gewollter wirtschaftlicher Entwicklung und rechtlich gebotener Standortsteuerung. Denn die Großprojekte betreffen nicht allein die kommunale Planungshoheit, sondern berühren auch die überörtliche Raumplanung, sodass Konflikte zwischen Bauleitplanung und Landes- und Regionalplanung bei unzureichender Vorbereitung unausweichlich sind. Mit der nötigen Präzision lassen sich jedoch die öffentlich-rechtlichen „Fallstricke“ antizipieren und die Umsetzung eines großflächigen Einzelhandelsbetriebes in städtebaulich verträgliche Bahnen lenken.
Entscheidend ist zunächst, ob ein Einzelhandelsbetrieb überhaupt als großflächig im baurechtlichen Sinne anzusehen ist. Der Begriff „großflächig“ bezieht sich nämlich nur auf solche Betriebe, die aufgrund ihrer Verkaufsfläche und ihres Einflusses auf die Umgebung eine besondere städtebauliche Relevanz haben, also geeignet sind, ihre Umgebung und/oder die Gemeindeentwicklung übermäßig zu beeinträchtigen. Das Gesetz selbst zieht hierfür allerdings keine absoluten Grenzen. In der Rechtsprechung hat sich jedoch als Grenzwert eine Verkaufsfläche von etwa 800 m² etabliert (Az.: BVerwG 4 C 10/04 vom 24.11.2005). Relevant soll aber auch die bauplanungsrechtliche Selbstständigkeit des Betriebs sein: Ist eine Verkaufsstätte funktional und baulich als eigenständige Einheit zu betrachten, wird sie separat beurteilt. Andernfalls können mehrere Einheiten zusammen als ein großflächiger Betrieb gewertet werden. Treten also ein Haupt- und ein Nebenbetrieb in einem engen Zusammenhang auf, werden ihre Verkaufsflächen zusammengezählt. So wird etwa die Fläche eines in einen Supermarkt integrierten Backshops dem Lebensmittelmarkt zugerechnet, wenn der Bäckerei-Shop nur eine untergeordnete Ergänzung des Hauptbetriebs darstellt.
Die Frage der Großflächigkeit ist jedoch nicht die einzige Herausforderung bei einem solchen Bauvorhaben. Nach den gesetzlichen Vorgaben dürfen großflächige Einzelhandelsbetriebe nur dann errichtet oder erweitert werden, wenn sie – wörtlich – „nicht nur unwesentliche Auswirkungen“ auf die Raumordnung oder die städtebauliche Entwicklung haben. Auch hier nennt der Gesetzgeber keine starren Obergrenzen, was die rechtssichere Gesetzesanwendung zusätzlich erschwert. In der Praxis wird jedoch ab einer Verkaufsfläche von 1.200 m² regelmäßig vermutet, dass der Betrieb nachteilige Auswirkungen auf die Umgebung hat, also etwa den örtlichen Einzelhandel schwächt oder erhebliche Verkehrsprobleme verursacht. Allerdings kann diese Vermutung nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts durch Darlegung besonderer atypischer Umstände des Einzelfalls auch widerlegt werden (Az.: 4 B 14/02 vom 09.07.2002). Liegt die Fläche hingegen unterhalb der 1.200 m², muss wiederum die Gemeinde darlegen, warum – entgegen der Regelvermutung – von wesentlichen Auswirkungen auszugehen ist. Großflächige Einzelhandelsbetriebe müssen demnach in Kerngebieten oder eigens für sie festgesetzten Sondergebieten errichtet werden, sofern sie wesentliche Auswirkungen auf die Umgebung haben. Fehlt es an den genannten Auswirkungen, ist eine Errichtung auch außerhalb der genannten Gebiete möglich.
Darüber hinaus kann in spezifischen Fällen auch die Raumordnung ein zusätzliches Problem im Rahmen des Genehmigungsverfahrens darstellen. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn der Betrieb eine überörtliche Bedeutung hat und somit potenziell Auswirkungen auf benachbarte Gemeinden oder Regionen haben könnte. In ländlichen Gebieten kann dies bereits für kleinere Betriebe gelten, während in städtischen Gebieten größere Betriebe eine detaillierte Prüfung erfordern. Die Einbeziehung des Projekts in ein Raumordnungsverfahren ist ein weiterer wichtiger Schritt, der in die Bauleitplanung der Gemeinde einfließen muss und für die spätere Genehmigung des Vorhabens entscheidend sein kann. Sobald die Zulässigkeit des Betriebs auf Ebene der Raumordnung geklärt worden ist, ist dies sowohl auf Ebene der Bauleitplanung als auch im Genehmigungsverfahren zu beachten.
Die zuvor erwähnten Herausforderungen bei der Genehmigungserteilung sind dabei allerdings nicht abschließend. In manchen Fällen können weitere Erschwernisse bei der Genehmigungserteilung hinzutreten. Die beiden genannten Fragestellungen veranschaulichen allerdings bereits wie wichtig eine frühzeitige und unabhängige Begutachtung der bauplanungsrechtlichen Rahmenbedingungen für ein solches Vorhaben ist.
Meine Empfehlung
Praxishinweise für Vorhabenträger:
- Standortwahl und Planrecht prüfen: Besteht Baurecht oder muss der Bebauungsplan angepasst werden?
- Kommune frühzeitig einbinden: Ohne politische und planerische Unterstützung der Gemeinde ist ein Vorhaben kaum realisierbar.
- Fachgutachten vorlegen: Auswirkungen auf Zentrenstruktur und Verkehr nachweisen, idealerweise abgestimmt mit der Gemeinde.
- Projekt anpassen: Flächenreduktion, Sortimentsbegrenzung oder bessere Erschließung können Konflikte vermeiden.
- Raumordnung beachten: Besteht überörtliche Relevanz, sollte ein Raumordnungsverfahren geprüft und vorbereitet werden.
- Rechtlich absichern: Frühzeitige juristische Beratung verhindert Fehler bei Flächenzuschnitt, Nutzungsdefinition und Abwägung.
Praxishinweise für Kommunen:
- Einzelhandelskonzepte nutzen: Zentrenorientierung und Sortimentssteuerung ermöglichen planvolle Steuerung.
- Bebauungspläne gezielt ausgestalten: Verkaufsflächengrenzen und Gebietstypen klar festlegen.
- Verkehr und Infrastruktur realistisch bewerten: Zusätzlichen Verkehr frühzeitig prognostizieren und steuern.
- Investoren aktiv begleiten: Erwartungen an Standort, Gestaltung und Integration klar kommunizieren. Interkommunale Abstimmung sicherstellen: Kaufkraftverlagerung kann Nachbargemeinden betreffen.
- Raumordnungsrecht beachten: Prüfen, ob Ziele der Raumordnung betroffen sind – und rechtzeitig Position beziehen.
Der Kopf hinter dem Beitrag.

Patricia Kohls ist Rechtsanwältin bei DOMBERT Rechtsanwälte.
Ihr Tätigkeitsschwerpunkt liegt im Bereich des Bau- und Planungsrechts. Neben der Begleitung von Bauleitplanverfahren steht sie auch Privatpersonen sowie der öffentlichen Hand bei der Umsetzung von Bauvorhaben beratend zur Seite.